Bunte Eier, bunte Blumen – das Leben feiern.

Was Sie hier sehen, das ist ein Osterstrauch, zu finden in einem Garten in meiner Nachbarschaft. Einfach schön. Ostersträuche und Osterbrunnen gibt es in der Fränkischen Schweiz viele. Es ist hier gute Tradition, vor Ostern bunte Eier in Sträucher zu hängen, die langsam anfangen zu blühen. 

Das Schönste an den bunten Sträuchern ist in diesem Jahr für mich: dass sie so völlig „coronafrei“ sind, so unbeeindruckt von den Wirren und Ängsten, den Aufregungen um Impfstoff und raffgierigen Politikern, von den Veränderungen und Verwerfungen in diesen Tagen. Es ist wie immer: Man holt die bunten Eier aus der Kiste, sucht einen passenden Strauch, und hängt sie in den Strauch, in den Wind. Dann blinken und leuchten sie in der Sonne. Das Leben, hier im Zusammenspiel von Mensch und Natur, blüht, ist bunt – und trägt. 

Das Coronavirus greift nicht nur den Körper an, sondern auch die Seele. Da werden nicht nur Ängste wach, sondern auch die Unsicherheiten wachsen: Was bringt die Zukunft und wem kann ich an denn eigentlich noch glauben? Und das Virus greift die Nerven an, die liegen offen. Man geht sich gegenseitig auf die Nerven – und manche verlieren sie völlig, die Querdenker zum Beispiel. Was kommt, weiß niemand, und der Boden unter den Füßen wackelt, mal weniger spürbar, mal deutlicher. Und dann gibt es plötzlich auch Risse und Abgründe, in die man fallen kann. Und manche auch schon stürzen

Und dann der Osterstrauch. Eine alte Tradition, die gibt es noch und die geht weiter, wenn man damit weitermacht. Und die Natur, sie hat auch dieses Jahr beschlossen, wieder neu zu starten, mit dem Frühling. Und genau das vergessen wir manchmal und übersehen es: Es gibt da mehr, was bleibt und trägt. Freilich: auch alte Traditionen können abbrechen. Und natürlich, auch die Folge der Jahreszeiten ist nicht mehr so verlässlich, seitdem der Mensch zum Klimafaktor Nummer eins geworden ist. So sicher ist das alles nicht. Deswegen braucht es noch mehr als die alten Traditionen und den Kreislauf der Jahreszeiten. Es braucht Ostern: als Zeichen, dass da noch irgendetwas ist, was in allem Wandel blüht, bleibt und trägt. Etwas, das noch viel tiefer unter dem Erdboden liegt und trägt. Und etwas, das über dem Himmel ist, der Himmel über allen Himmeln. Und das ist mehr als wir manchmal glauben könnten. Und man kann in seinen Kellern und Seelenstüberln mal nachsehen, wo da die bunten Ostereier der Vergangenheit gelagert sind. Ach, Sie hatten nie ein buntes Überraschungsei? Sind Sie sicher? Schauen Sie mal nach im Nähkästchen Ihres Lebens. Und holen Sie raus, was drin ist. Zu Ostern gehört auch Mut, selber anzufangen. Dann könnte es sein, dass es aufploppt. Ostern: ein altes Fest zum Neustart des Lebens. Das kann man sehen, riechen und schmecken und sich daran freuen. Gottseidank. Und schön, dass es den Osterstrauch um die Ecke dort gibt.

Herzlich grüßt, Hans Jürgen Luibl