Worte, die mich bewegen

BE-wegungsstück von Sabine Gilson / April 22

Mittagszeit. Es klingt an der Haustüre. Mein Ältester kommt von der Schule. „Und? Wie war’s?“ frage ich. „Grottig,“ ist seine Antwort. „Mathe ist wieder eine Fünf geworden.“ Es ist die 4. Fünf in dieser Woche. Er ist in der 10. Klasse.

Ich antworte nicht. Das habe ich mir vorgenommen: Statt eines Kommentares will ich künftig meine Jogging Schuhe nehmen und erst mal eine Stunde an die Luft. Denn das Gedankenkarussell lässt nicht lange auf sich warten: Oje, schon wieder! Er ist schwerhörig. Wir haben ihn gegen den Rat der Frühförderstelle auf eine Regelschule geschickt. „Sie können die Behinderung Ihres Sohnes nicht akzeptieren, oder?“ Worte, die lange in mir nachwirken. Ist er vielleicht wirklich überfordert? War es die falsche Entscheidung? Sind wir zu streng? Sind wir zu lax ?….. und überhaupt!
Das Laufen hilft. Der Kopf wird frei. Ich laufe schon das 4. Mal in dieser Woche. „Wenn ich nicht so schlecht in der Schule wäre, dann wärst Du jetzt nicht so fit!“ sagt mein Sohn. Muss man sich um solche Kinder wirklich Sorgen machen? Ich erzähle meiner Freundin davon. Sie sagt; „Au weia. Ein Freund von mir ist Triathlet. Was hat der wohl für ein Schulkind???“

15 Jahre später. Es klingelt an der Haustüre. Mein Ältester kommt zu Besuch. Er wohnt seit vielen Jahren in München zusammen mit seiner zukünftigen Frau. „Und? Wie geht’s?“ frage ich. „Passd scho,“ ist seine Antwort und „Kannst Du das mal Korrektur lesen?“ Er legt einen USB Stick auf den Esstisch. Auf dem Stick ist die Vorlage zu seiner Doktorarbeit. Dass er einmal promovieren würde, das war so wahrscheinlich wir ein Vulkanausbruch auf der Regnitzwiese.
Am Abend nehme ich meine Schuhe und gehe laufen. Ich bin sehr dankbar. Die Worte und die Nicht-Antworten haben mich bewegt. Und im wahrsten Sinne in Bewegung gebracht. Sie tun es immer noch.

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