Nach dem Mittagessen auf der Wochenendtagung: der Magen ist voll, der Kopf schwer. Mir wird die Aufgabe zuteil, ein paar kurze Bewegungsübungen zum Auflockern und -wachen anzuleiten. Die ideale Gelegenheit, mein Hobby vorzustellen. „Ich lege ein wenig Musik auf und mache was vor. Ihr macht einfach nach, womit Ihr euch wohl fühlt.“ Grooviger Motown, ein paar einfache Schritte, ein bisschen Ausschütteln, fertig. Und dann direkt die Frage: „Können wir vielleicht nochmal?“ Seit Jahren tanze und unterrichte ich Swing und Blues. Das sind afroamerikanische Tänze, die in Harlem, New York in den 1930ern und 40ern berühmt wurden und heute auf der ganzen Welt getanzt werden. Besonders sind diese Tänze für mich, weil sie bei einem ganz einfachen Punkt ansetzen: Musik bewegt Menschen. Wenn wir Musik hören, dann reagiert unser Körper darauf. Er will sich bewegen. Was wir als TänzerInnen lernen, ist, diese Bewegungen etwas mehr zu lenken. Aber der Tanz ist schon da. Deshalb ist die Ausrede „Ich kann nicht tanzen“ für mich quatsch. Jeder kann tanzen. Es will nur nicht jeder.
Ich will dafür umso lieber. Wo andere beim Yoga oder Joggen ihren Kopf abschalten, lege ich Count Basie oder BB King auf und lasse mich bewegen. Ohne Leistungsdruck, ohne Erwartungen erfüllen zu müssen, einfach im Moment. Und dann vielleicht nochmal?
Seit ich Kinder habe folge ich auf Instagram Hashtags, die mich bis dahin wenig bis gar nicht interessiert haben. Zum Beispiel: #lebenalsmama #elterntipps #artgerecht oder #wutanfällebegleiten. Mal mehr, mal weniger erreicht mich seitdem Content, der mir in Fragen der Erziehung weiterhilft, mir inspirierende Tipps und Ideen gibt oder mich schlicht in meiner Rolle als Mama abholt und erheitert. So ist es auch mit folgendem Spruch: Wenn man es auf einen Satz herunterbrechen möchte, bedeutet Elternschaft, dass man sehr oft aufstehen muss, nachdem man sich gerade hingesetzt hat. @kriegundfreitag
kinder #kindheit #elternsprüche #elternleben
Uff. Genau! So geht es mir auch! Gerade haben alle ihren Platz fürs Frühstück gefunden, da wird schon das obligatorische Glas des Tages umgeschüttet. Gerade bin ich eingenickt, da quengelt der Kleine doch nochmal. Gerade habe ich mit einer kurzen Verschnaufpause gerechnet, da erreicht mich der Ruf: „Mama, kommen!“ Die Kleinkindphase ist eine Besondere. Auch eine besonders Anstrengende. Und optimalerweise erfahren Eltern Unterstützung, indem anstelle ihrer auch andere Beine aufstehen und Kinder lernen zu warten. Aber die Erfahrung aufzustehen, mich wortwörtlich bewegen zu lassen, um die Bedürfnisse anderer wahrzunehmen – das ist für mich mittlerweile zum Spiegel geworden: Lasse ich mich von den Bedürfnissen anderer bewegen oder scheue ich eher die Anstrengung? Verlasse ich meinen Platz, meinen Standpunkt, um mit anderen in Beziehung zu treten? Will ich es mir lieber bequem machen oder lasse ich mich rufen, in Bewegung versetzen, um für andere aufzustehen?
von Elisabeth Heckmeier
Übrigens: Für alle, die Wortspiele und kleine Cartoons lieben, kann der Instagram-Account @kriegundfreitag eine echte Entdeckung sein! Der Name ist wohl durch eine Autokorrektur entstanden, die „Freitag“ statt „Frieden“ schrieb. Dahinter verbirgt sich der Autor Tobias Vogel, der mit „Babysachen“ ein witziges und liebevolles Buch mit Texten und Zeichnungen über das Leben mit Baby und Kleinkind verfasst hat.
wir gehen auf die Sommerferien zu und werden hoffentlich alle ein wenig Urlaub und freie Zeit haben. Zeit für Kultur, Zeit für die Lieben, Zeit zum Ausspannen, Zeit zum Lesen, …
Zeit zu haben ist für mich Glück und Entspannung. Aber, Zeit zu haben ist für mich nicht selbstverständlich. Denn Zeit ist wertvoll in einer Welt, in der man „keine Zeit mehr hat“. Zeit ist für mich ein Geschenk, ein Geschenk Gottes. Gott schenkt jeder und jedem von uns die Lebenszeit, über die wir nicht verfügen, aber die uns zur Verfügung steht.
„Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit“ (Prediger 3,1-2).
Wenn ich Zeit habe – z.B. auf meiner täglichen Runde mit dem Hund, dann höre ich oftmals einen Podcast. (Ein Podcast ist ein kostenloses Hörbuch, dass sie entweder einfach im Internet anhören können, oder mittels Software auf dem Handy speichern und unterwegs anhören können.) Mein momentaner Lieblingspodcast und mein Tipp für die Zeit am Meer, im Flieger, im Reisebus, im Zug, im Freibad, … ist der Fotomenschen Podcast.
Dieser Podcast bewegt mich! Zum einen sprichwörtlich, während ich ihn höre und mit meinem Hund spazieren gehe. Aber auch im Kopf und im Herz. Manche Folgen (und mittlerweile gibt es über 80) schwingen noch tagelang nach. Ich empfehle den äußerst professionell gemachten Podcast ausdrücklich auch für Hörer, die keine Hobby-Fotografen sind. Denn der Macher Dirk Primbs bespricht vor allem die Menschen, die mit dem Foto etwas zu tun haben: sei es, weil sie es fotografiert haben, oder weil sie auf dem Bild zu sehen sind. Und erzählt mit angenehmer Stimme vor allem die gut recherchierte Geschichte dahinter.
Bei Fotografie denken viele sofort an Robert Capa „Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, warst du nicht nah genug dran. “ – aber kennen Sie Gerda Taro? Beeindruckende Geschichte – ohne die es Robert Capa nicht gegeben hätte – in Folge 7 „Die kleine Blonde“über den spanischen Bürgerkrieg und den Kampf gegen den Faschismus. Oder die zwei Folgen zur „Feenfotografie“ und „Geisterfotografie“. Hier geht es (wie immer) nur am Rande um Technik. Vielmehr bespricht der Autor, warum Menschen zu dieser Zeit der Fotografie diese Fähigkeit zugetraut haben, und warum z.B. der berühmte Autor Conan Doyle (Sherlock Holmes) fest davon überzeugt war, dass die Bilder und die Feen darauf echt waren.
In über 80 Folgen – und ich bin auch erst bei Folge 53 – kommen so die verrücktesten Themen, die berühmtesten Bilder, aber auch die bekanntesten Stars (z.B. Marilyn Monroe) und Politiker (Donald Trump mit den Teufelshörnern) vor. Es muss einfach nur ein Bild von ihnen geben.
Der Podcast informiert und unterhält mich. Er ist ein Freizeit-Begleiter und ich freue mich schon immer, wenn eine neue Folge veröffentlicht wird. Denn der Podcast macht meine freie Zeit ein wenig wertvoller. Und wenn ich dann, wegen der gehörten Geschichte darüber nachdenke, auf welcher verrückten Welt ich lebe, danke ich meinem Gott für die geschenkte Zeit.
Ich wünsche uns allen einen schönen Sommer mit viel Zeit, für alles was und lieb und wichtig ist. Nutzen wir die Zeit! Und dabei halte Gott seine segnenden Hände über uns!
Vergangener Freitag: Wir sitzen im Auto auf dem Weg zu einem Frauenwochenende mit sprituellen Tänzen, zu einem wunderschönen zum Tagungshaus umgebauten Bauernhof in unberührter Natur. Sprechen vom Krieg, den Flüchtlingen, der wirtschaftlichen Entwicklung, persönlichen Schwierigkeiten, der ungewissen Zukunft. Meine Freundin fragt ob sie mir einen Text vorlesen darf, den sie heute geschickt bekam. Er sei etwas länger.
„Die heile Blase
Immer wieder glauben wir Menschen, dass wir für Dinge, die uns gut tun und uns ein schöneres Leben ermöglichen, eine Erlaubnis brauchen.
Ein Beispiel dafür ist gerade, ob ich mir eine heile Blase erschaffen darf. Darf ich in Zeiten von Krieg und Morden im Frieden sein? Darf ich in Zeiten von Angst und Trauer Freude empfinden und lachen? Darf ich in Zeiten von Terror und (Re)Traumatisierung ausgeglichen sein? Darf ich in Zeiten von Perspektivenlosigkeit und Weltuntergangsstimmung Visionen und Träume haben? Darf ich den Fernseher und die Nachrichten abgedreht lassen und stattdessen mit Freunden einen harmonischen und lustigen Abend verbringen? Darf ich darauf verzichten, mir die täglichen Todeszahlen anzuhören und stattdessen das Erwachen der Natur erleben? Darf ich in Zeiten von Ungewissheit und Bedrohungen, festen Boden unter den Füßen haben und mich in Ekstase tanzen?
Ja. Natürlich darf ich das. Wen sollte ich denn dafür um Erlaubnis fragen?
Es gibt eine kollektive Meinung, dass „man“ die Pflicht hat, sich über das Weltgeschehen zu informieren. Schließlich haben wir eine Pandemie. Und Krieg. Und einen baldigen Wirtschaftskollaps. Und seltsame, unerklärliche medizinische Erkrankungen. Da kann „man“ sich ja nicht einfach nicht informieren und nicht permanent up to date sein.
Doch wem hilft es, ob ich am neuesten Stand bin? Wird es dadurch zu Frieden kommen, wenn ich über den neusten Bombenabwurf Bescheid weiß? Gibt es morgen weniger Tote, wenn ich weiß, wie viele es heute waren? Wird uns das Mehl weniger wahrscheinlich ausgehen, wenn ich mir Bilder von leeren Regalen anschaue?
Wem dient mein Informieren? Und noch viel wichtiger: dient es mir?
Jeder Mensch hat das Recht auf eine heile Blase. Wo ich entscheide wer und was in diese Blase hineingelassen wird. Und mit welchen anderen Blasen meine in Kontakt kommt oder sich gar vereint.
Familienblasen, wo Kinder geschützt und heil sein können. Gemeinschaftsblasen, die sich stärken und gemeinsame Werte hochhalten. Bewegte Blasen, die lebendig und wach voran gehen.
Wo kommt die Idee her, dass ich nicht für mein Wohl sorgen darf? Dass wenn es jemand anderem schlecht geht, ich auch leiden muss? Seit wann ist es das Ziel, dass alle Menschen depressiv und ängstlich am Boden liegen sollen? Wer hält dann den Raum für Stabilität, Fürsorge und Entwicklung? Bin ich ein „besseres“ Mitglied der Gesellschaft, wenn es mir schlecht geht? Wenn ich Angst habe? Wenn ich ein Feindbild habe?
Warum sollte jemand anderer mehr Recht darauf haben, über mein Befinden zu entscheiden als ich selbst? Soll das Solidarität und Mitgefühl sein, wenn wir alle gemeinsam langsam zusammenbrechen?
Da mache ich nicht mit. Ich nehme mir das Recht, dass ich gut für mich sorge. Dass ich mein Leben gestalten darf, so wie es mir gut tut. Ist das egoistisch? Empathielos? Asozial?
Nein.
Es wurde uns erklärt, dass nur gemeinsam in einem Boot zu sitzen, solidarisch ist. In einem Boot, dessen Ziel ohne Einverständnis bestimmt wurde. Das einzige Boot, das angeblich existiert. Sogar wenn dieses Boot untergeht, heißt es: sitzen bleiben. Doch wem dient das?
Ich gebe meine Handlungsmacht und meine Verantwortung über mein Leben und Befinden nicht an das Außen ab. Nicht mehr. Ich wähle, wie ich mein Leben gestalte, was ich konsumiere, worauf ich meine Aufmerksamkeit lenke.
Und deshalb erlaube ich mir eine heile Blase. In der ich mich regenerieren kann. In der ich heilen kann. In der ich gut mit mir verbunden sein kann. In der ich das Leben spüren kann. In der ich still sein kann. In der ich Mensch sein kann. Gemeinsam mit anderen. Ich erlaube mir, dass ich gut für mich sorgen darf.“
Text: Alexandra Stephanidis
Ein Einstieg in ein Wochenende wie gemacht für das „Innere Kind“ mit Tanz, Sonne, Blütenduft, köstlichem nachhaltigem Essen, Verbundenheit und Vertrauen. Mir fällt ein Bild aus der systemischen Arbeit ein: Wie stopft man eine Socke? – Man beschäftigt sich erst gar nicht mit dem Loch, sondern stabilisiert zunächst die heil gebliebenen Ränder. Dann erst hat man eine wirkliche Basis, die den gestopften Teil halten kann. Ich schaue in meinen Kalender und freue mich auf die nächsten stärkenden Momente, beschließe mehr davon in mein Leben einzuladen. Und mit diesem Gefühl des Getragenseins auch in die schweren Themen anzupacken.
Ihre Renate Abeßer
(wie alle Texte in dieser Kategorie – aus redaktionellen Gründen um 1 Jahr zurückdatiert)
Mittagszeit. Es klingt an der Haustüre. Mein Ältester kommt von der Schule. „Und? Wie war’s?“ frage ich. „Grottig,“ ist seine Antwort. „Mathe ist wieder eine Fünf geworden.“ Es ist die 4. Fünf in dieser Woche. Er ist in der 10. Klasse.
Ich antworte nicht. Das habe ich mir vorgenommen: Statt eines Kommentares will ich künftig meine Jogging Schuhe nehmen und erst mal eine Stunde an die Luft. Denn das Gedankenkarussell lässt nicht lange auf sich warten: Oje, schon wieder! Er ist schwerhörig. Wir haben ihn gegen den Rat der Frühförderstelle auf eine Regelschule geschickt. „Sie können die Behinderung Ihres Sohnes nicht akzeptieren, oder?“ Worte, die lange in mir nachwirken. Ist er vielleicht wirklich überfordert? War es die falsche Entscheidung? Sind wir zu streng? Sind wir zu lax ?….. und überhaupt! Das Laufen hilft. Der Kopf wird frei. Ich laufe schon das 4. Mal in dieser Woche. „Wenn ich nicht so schlecht in der Schule wäre, dann wärst Du jetzt nicht so fit!“ sagt mein Sohn. Muss man sich um solche Kinder wirklich Sorgen machen? Ich erzähle meiner Freundin davon. Sie sagt; „Au weia. Ein Freund von mir ist Triathlet. Was hat der wohl für ein Schulkind???“
15 Jahre später. Es klingelt an der Haustüre. Mein Ältester kommt zu Besuch. Er wohnt seit vielen Jahren in München zusammen mit seiner zukünftigen Frau. „Und? Wie geht’s?“ frage ich. „Passd scho,“ ist seine Antwort und „Kannst Du das mal Korrektur lesen?“ Er legt einen USB Stick auf den Esstisch. Auf dem Stick ist die Vorlage zu seiner Doktorarbeit. Dass er einmal promovieren würde, das war so wahrscheinlich wir ein Vulkanausbruch auf der Regnitzwiese. Am Abend nehme ich meine Schuhe und gehe laufen. Ich bin sehr dankbar. Die Worte und die Nicht-Antworten haben mich bewegt. Und im wahrsten Sinne in Bewegung gebracht. Sie tun es immer noch.
In „Pilgrim at Tinker Creek“ führt Annie Dillard einiges von dem zusammen, was für mich die vergangenen Jahre erfüllt hat: Literatur, Erlebnisse in der Natur, Wissen zur Natur, spirituelle Erfahrungen, theologisches Nachdenken. Mit ihren Erzählungen entführt sie nicht in eine fiktive Welt, auch nicht in eine historische Begebenheit, sondern in Begegnungen zwischen dem Menschen, Annie Dillard, und Lebewesen oder Ereignissen außerhalb von Haus und Stadt. Ähnliche Erfahrungen, ganz als Gedichte, ja als Minimalia schreiben z.B. Christian Lehnert oder Marion Poschmann. „Nature writing“ – Natur, zur Sprache gebracht / ver-dichtet, oder auch: Schreiben, von Natur angesprochen – ist der inzwischen verbreitete Begriff dafür. Annie Dillard, Anfang der 1970er Jahre, ist eine Begründerin.
Die Rahmenerzählung folgt einem Jahreslauf, vom Vorjahr bis wieder in den Winter. Während sie am Fluss entlang streift, taucht Dillard in die Atmosphäre einer Jahreszeit – in drängende Fruchtbarkeit und Wachstum oder unaufhaltsame Zugunruhe oder fast unbelebte durchsichtige Klarheit – und verbindet damit Fragen nach dem menschlichen Leben in all dem Dasein und nach Gott. Ebenso wie theologische Gedanken sind auch naturwissenschaftliche Kenntnisse in den Text gewoben. Aktuelle Beobachtungen, besonders in der Insektenwelt, ergänzt durch Ausflüge in ihre Erinnerung, verlangten nach Erklärungen. Aber Dillard will nicht Bescheid wissen über Spezies und Phänomene in der Natur. Sie möchte ihnen nahe kommen.
Die Erzählungen von diesen Begegnungen sind das literarisch Besondere und Reizvolle im Text. Manchmal wird sie von ihnen unvorbereitet überrascht: Im Hüpfen der Frösche vor ihren Tritten fällt einer auf, der hocken bleibt. Sie kniet nieder und schaut, genau in dem Moment, in dem das Lebenslicht in seinen Augen erlischt und seine Haut zusammen sackt. Manchmal sind sie der Lohn dafür, dass sie über Jahre Kenntnisse erworben und konzentriert gewartet hat: Wenige Handspannen neben ihr rauft eine Bisamratte Gras zusammen und bemerkt sie nicht. Manchmal erlebt Dillard etwas ganz anderes, als das, worauf sie gehofft hat: Ein Goldfink rupft Samen aus der verblühten Distel, und sie beginnen sonnendurchleuchtet im Wind zu tanzen, überall vor Wiese und Wald, vom Fenster gerahmt.
Wichtig sind diese Begegnungen nicht als unerhörte Begebenheiten, sondern als Momente der Präsenz. Mal treffen sie sie völlig überraschend, etwa an einer einsamen Autobahnraststätte, wo sie einen zutraulichen Welpen krault, während die sinkende Sonne und windgetriebene Wolken einen felsigen Höhenzug in Bewegung versetzen. Häufiger aber kommen sie hinzu, wenn Dillard eine bestimmte Haltung eingenommen hat: „Ich ziehe mich zurück – nicht in mich selbst, sondern aus mir selbst, so dass ich ein Gewebe von Sinnen bin.“ Selbst-Vergessenheit kann sie es auch nennen, und erfährt sie als unvergleichlich belebend, selbst wenn sonst nichts geschieht.
Dabei ist Dillard weit entfernt von romantischer Verklärung der Natur. Da sie genau hinsieht, kann sie den Reproduktionsdruck, das Beutemachen, die Beschädigungen im Lauf einer Lebensspanne nicht verklären. Sie stellt bittere Fragen nach Gott. Aber die geisterfüllten Momente führen sie in die Zuversicht, „dass das Neue immer zugleich gegenwärtig ist mit dem Alten, wie verborgen auch immer.“ Pilgerin am Tinker Creek zu sein, prägt ihren Glauben.
Annie Dillard, Pilgrim at Tinker Creek, Harper & Row, 1974; deutsch von Karen Nölle, Pilger am Tinker Creek, hrg. von Judith Schalansky, Naturkunden 2016
(Text aus redaktionellen Gründen um 1 Jahr zurückdatiert – ist vom 1. März 22)
Frau Michler arbeitet ehrenamtlich in ihrer Kirchengemeinde und ist Teilnehmerin der Schreibwerkstatt. Vielen Dank für die Einsendung der zwei Texte auf unsere Frage: Welche Worte haben Sie bewegt?
„Wird’s besser? Wird’s schlimmer?“ fragt man alljährlich. Seien wir ehrlich: Das Leben ist immer lebensgefährlich.“ – Erich Kästner
Ich stöbere gerne in Erich Kästners Literatur. Und in der Vor-Corona-Zeit hatte ich auch die Möglichkeit das ein oder andere Kästner-Bühnenstück mit Walter Sittler als Erzähler im Stadttheater Fürth zu genießen. Ein Kästner Satz, den ich 2020 mitten im 2. Großen Lockdown, gefunden habe, lautet: „Wird’s besser? Wird’s schlimmer?“ fragt man alljährlich. Seien wir ehrlich: Das Leben ist immer lebensgefährlich.“
Dezember 2020 – die Welt und Deutschland steht fast still. Die Advents-und Weihnachtszeit wird in vielen Gemeinden nur mit Online-Gottesdiensten gefeiert, und mitten in der Krise kurz vor Jahresende springt mir dann dieser Satz ins Auge. Niemand weiß was 2021 auf uns zukommt! Die Worte erinnern mich daran, dass es neben Covid noch unzählige lebensbedrohliche Krankheiten gibt. Ich denke an all die Menschen, die z.B. an einer schweren Krebserkrankung leiden oder durch einen Unfall ihr Leben verloren haben. Denn viele wichtige Operationen können nicht stattfinden, da die Krankenhäuser und Intensivstationen mit dem Virus und seinen Auswirkungen kämpfen. Das Pflegepersonal arbeitet bis zur Erschöpfung und ist dabei tagtäglich der Gefahr einer Infektion ausgesetzt. Ja – das Leben ist auch ohne Corona nicht einfach. Erich Kästner hat das zu seiner Zeit in Worte gefasst. Damals vor und mitten in den Kriegswirren des 2. Weltkriegs war das Leben immer sehr gefährdet. Mir hat dieser Satz gezeigt, dass wir vor Corona in unserer Spaßgesellschaft vielleicht manches auf die Spitze getrieben haben und auch verwöhnt vom Leben im Überfluss waren. Wird’s besser? Wird’s schlimmer? – 2021 stand im Zeichen der Impfkampagne, und für 2022 bleibt die Hoffnung auf ein normaleres Miteinander. Und das sowie mein Vertrauen in Gottes Segen treiben mich immer wieder an das Leben jeden Tag als Geschenk anzunehmen.
Wir fertigen jetzt Masken! (Prof. Dr. Dirk W. Schubert)
Wir sind im 1. Lockdown und die FAU hat viele Mitarbeiter:innen ins Homeoffice geschickt. Doch zunächst gilt es für mich noch ein Hygienekonzept für den Lehrstuhl auszuarbeiten und das Equipment für neue digitale Formate der Vorlesungen zu bestellen. Als Ingenieure der Technischen Fakultät sind wir es jedoch gewohnt lösungsorientiert zu arbeiten, und deshalb gelingt diese Umstellung sehr gut. Doch es tun sich noch ganz andere Probleme durch die Corona Pandemie auf. Es gibt kaum FFP2 Masken. Und Mitte März 2020 reifte in unserem Lehrstuhlinhaber Prof. Schubert die Idee: „Wir fertigen jetzt Masken, damit wir unseren Beitrag leisten, um den Engpass in der Uniklinik zu überbrücken!“
Denn Masken fehlen deutschlandweit genauso wie Desinfektionsmittel, Handschuhe, Schutzanzüge uvm. Innerhalb weniger Tage stellen unsere jungen Wissenschaftler unter der Anleitung des Professors eine kleine Produktionslinie auf die Beine: die Spinnanlage läuft auf Hochtouren genau so wie die Presse und der Lasercutter. Ehrenamtlich helfen viele mit bei der Konfektion der Masken: von der Reinigungsfachkraft über die Sekretärinnen, die Techniker, die Wissenschaftler und die Professoren sind alle mit dabei. Wir sind wieder ein Team, das Hand in Hand arbeitete und auch mal gemeinsam lachen kann. Und das tut gut, denn es lenkt den Blick weg von dem bedrohlichen Virus hin zu einem gemeinschaftlichen Miteinander als Unterstützung für das Klinikpersonal. Was einfache Worte manchmal in Gang setzen können – das hat mich damals sehr berührt, und diese Erfahrung begleitet mich bis heute. Es gibt nichts gutes außer man tut es! Wie wahr!
(Datum des Artikels aus redaktionellen Gründen um 1 Jahr zurückdatiert)